Bockjagd abschaffen!
Große Störwirkung in sensibler Zeit


(Bremen, den 28.4.23) Wenn es ab 1. Mai in Feld und Flur knallt, schießen Freizeitjäger wieder auf die männlichen Rehe. Während Normalbürger ohne Jagdschein jetzt ihre Hunde anleinen müssen, damit das Wild in der sensiblen Brut- und Setzzeit nicht gestresst wird, nimmt sich die Jagd in Deutschland Sonderrechte heraus, kritisiert der NABU und fordert eine kürzere Jagdzeit für alle jagdbaren Arten.
Nicht Tierwohl oder ökologische Notwendigkeit sind der Grund der jetzt startenden Jagdzeit. Es geht um die Knochenauswüchse auf dem Kopf der Rehböcke. Die sind in Jägerkreisen als Trophäe begehrt und dafür wird die massive Störung der Natur in Kauf genommen. „Wir wollen eine einheitliche Jagdzeit von September bis Dezember“, betont NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann, „die Jäger können nicht Rücksicht von Hundehaltern und Spaziergängern einfordern und selbst ein schlechtes Vorbild sein.“
Der noch aktuelle Koalitionsvertrag hatte sich eine tierschutzgerechtere Ausgestaltung des Bremer Jagdgesetzes vorgenommen. Passiert sei nichts, bemängeln die Naturschützer und fordern eine zügige und umfassende Novelle des Bremer Jagdrechts in der nächsten Legislatur. „Bremen hat seit der Föderalismusreform die Möglichkeit weitreichende Änderungen vorzunehmen und die sind bei dem uralten Gesetz bitter nötig“, so der gelernte Förster Hofmann, der einst selbst die Jägerprüfung bestanden hat.
Hunde anleinen aber Böcke erschiessen?
Die Trophäenjagd sei eine besonders überkommene Regelung aus dunkler Zeit. „Mit seinem Reichsjagdgesetz von 1934 erklärte Reichsjägermeister Hermann Göring das Reh zum ‘Hirsch des kleinen Mannes‘ und führte die verpflichtende Trophäenschau ein“, weiß Sönke Hofmann. Die knöcherne Leistungsschau steht bis heute im Gesetz. Der Kopfschmuck sollte Aussagen über den züchterischen Wert des Rehbockes zulassen und bis heute werden die Tiere danach beurteilt.
„Das Gehörn wird im Herbst abgeworfen, deshalb werden die Böcke von Mai bis Oktober geschossen. Es wächst im Winter nach. Wenn es dann viel zu fressen gibt, wächst es besonders stark“, erklärt der NABU. Das lasse Aussagen über das Nahrungsangebot im Revier oder die Stärke der Fütterung zu. „Über die genetische Fitness eines Rehbocks sagt das Gehörn soviel aus wie der Bartwuchs über die eines Mannes. Beides sind sekundäre Geschlechtsmerkmale, mehr nicht.“
NABU fordert einheitliche und kurze Jagdzeit
Jetzt im Frühjahr haben die Rehböcke ihr Gehörnwachstum abgeschlossen und die gut durchblutete Basthaut abgerieben, die Trophäen sind schön blank. Gleichzeitig stehen die weiblichen Rehe unmittelbar vor der Geburt. „Es ist wirklich die sensibelste Zeit in der Natur und mit dem 1. Mai bricht jedes Jahr das tödliche Büchsenfeuer wieder los“, ärgert sich Hofmann, „ich möchte mal hören, was die Jägerschaft zu böllernden Jugendlichen in den Revieren sagen würde.“
Eine allgemeine Jagdzeit von September bis Dezember würde am wenigsten stören und den Wildtieren erheblichen Stress ersparen. „Gleichzeitig würde der bekannte ‘Nationalparkeffekt‘ eintreten. Eine kurze Jagdzeit verschreckt die Tiere nicht und verringert die Fluchtdistanz zum Menschen. Dann können die 99,92% Nichtjäger in Bremen Wildtiere weitaus besser beobachten“, schließt Sönke Hofmann.