NABU warnt vor scheinheiliger Diskussion
Fällarbeiten an Trassen eignen sich schlecht für Skandale



Foto: Martin Schulze
(Bremen, den 02.02.18) Angesichts der Beschwerden über teils rabiate Rückschnitte entlang der Bahntrassen und Straßen warnt der Bremer NABU vor einer „scheinheiligen Diskussion“. Der Naturschutz mache sich unglaubwürdig, wenn er einerseits mehr ÖPNV fordere und gleichzeitig jeden Baum retten wolle. Entlang der Verkehrstrassen stehe nicht das „ökologische Tafelsilber“ sondern junge Bäume. Allerdings mahnt der Naturschutzverein handwerklich bessere Umsetzungen und einen Ersatz der Bäume durch Wildsträucher an.
„Ich liebe Bäume, deshalb habe ich Forstwirtschaft studiert und arbeite im Naturschutz“, bekennt NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann, „aber es gibt Bereiche, da sind Wildsträucher besser geeignet, weil sie nicht so hoch werden und flexibler bleiben.“ Der naturschützerische Wert eines Baumes steige besonders im Alter an, wenn er in die Zerfallsphase übergehe. Das schließe jedoch einen Standort an Straßen, Gleisen oder Gehwegen aus.
Trassen zu Lebensadern entwickeln
Wenig begeistert zeigt sich Hofmann von großflächigen Sägearbeiten: „Die Natur kennt bei uns keine Kahlschläge, die naturgemäße Forstwirtschaft hat die Permakultur quasi erfunden.“ Wenn aus Kostengründen die Einzelentnahme von potenziell gefährlichen Bäumen nicht möglich sei, müsse abschnittsweise gearbeitet werden. „Idealerweise werden links und rechts abwechselnd etwa 50 Meter lange Streckenabschnitte kahl geschlagen, damit die Tierwelt ausweichen kann. Nach ein oder zwei Jahren sind dann die stehengebliebenen Abschnitte dran.“
So entstehe ein abwechslungsreiches Mosaik, denn die Wurzeln der meisten Laubbäume treiben kräftig wieder aus. „Im Mittelalter hat man auf diese Weise sehr effektiv Brennholz in sogenannten Niederwäldern erzeugt“, weiß Hofmann. Sinnvoller für Trassenbetreiber und Natur sei es jedoch, jetzt einen Artenwechsel auf den Trassen herbeizuführen und einheimische Wildsträucher zu pflanzen. Sie bleiben deutlich niedriger und gefährden dadurch Oberleitungen und Fahrbahnen im Sturm weniger.
„Mit Haselnuss, Hagebutte, Holunder, Schneeball, Schlehe, Hartriegel und Pfaffenhütchen lassen sich die Böschungen einerseits sichern und andererseits bieten gerade sie viel mehr Nahrung und Lebensraum für Insekten, Vögel und Säuger als junge Bäumchen“, zählt der Naturschützer begeistert auf, „damit könnten die Trassen zu Lebensadern im Nahrungsnetz werden.“
Wildsträucher als bessere Alternative
Auch die Wuchsdynamik der Wildsträucher sei meist langsamer als die der hoch werdenden Bäume, ein Vorteil, weil weniger häufig gepflegt werden müsse. „Dafür werden solche Gebüsche allerdings sehr dicht. Sie von Hand zu pflegen ist eine echte Plackerei“, weiß Sönke Hofmann aus Erfahrung. Allerdings werden in der Trassenpflege mittlerweile immer mehr „Harvester“ eingesetzt, die mit ihrem langen hydraulischen Arm mühelos auch dichtes Buschwerk schneiden.

Schlehe (Schwarzdorn) - Foto: Helge May
„Wer das Bahnfahren attraktiver machen will, muss es zuverlässiger machen. Dafür müssen leider viele Bäume entlang der Bahntrassen weichen und immer wieder kurz gehalten werden“, betont der NABU und fordert: Bahn und Straßenmeistereien müssen dazu endlich außerhalb der Brutzeit nur von Oktober bis Februar fällen und größere Fällmaßnahmen im Vorfeld ankündigen. „Das wäre ein großer Fortschritt und würde das Vertrauen stärken.“