Vogel des Jahres 2018: Der Star



Star - Foto: Tom Dove
Der Star ist bekannt als Allerweltsvogel – den Menschen vertraut und weit verbreitet. Doch seine Präsenz in unserem Alltag täuscht, denn der Starenbestand nimmt ab.
Der Star (Sturnus vulgaris) ist eng mit unserem Leben verbunden – sowohl in der Vergangenheit als auch heute noch. Schon sein wissenschaftlicher Namensteil vulgaris verrät, dass er ein weit verbreiteter, als gewöhnlich eingestufter und alles andere als seltener Vogel ist. Tatsächlich ist der dunkel gefiederte, mittelgroße Star erst bei genauerem Hinsehen eine wahre Attraktion. Zur Brutzeit schillert sein Federkleid in verschiedenen Nuancen. Im Spätsommer kündigen die großen, spektakulären Starenschwärme den nahenden Herbst und baldigen Vogelzug an. Er ist uns vertraut aus den Parks und Gärten, wenn er auf Nahrungssuche über den Rasen flitzt oder sich am Kirschbaum gütlich tut. Wo der Star sein Zuhause hat, belustigt er uns mit seinem „schrägen“ Gesang.
Der Star ist ein Paradebeispiel dafür, wie es um unsere eigentlich häufigen Vogelarten steht. Noch zählt er mit seinen durchschnittlich 3,65 Millionen Brutpaaren zu den häufigsten Vogelarten in Deutschland und Europa, doch spätestens seit der Jahrtausendwende gehen die Bestände unseres Jahresvogels zurück. Denn seine bevorzugten Lebensräume wie Weiden, Wiesen und Felder mit Alleen und Waldrändern werden immer intensiver genutzt. Er benötigt Baumhöhlen zum Brüten und Nahrungsflächen mit kurzer Vegetation, wo er Würmer und Insekten findet. Doch Hecken und Feldgehölze „stören“ eher beim intensiven Anbau von Getreide und Energiepflanzen in Monokulturen. Auch die zunehmende Haltung von Nutztieren in abgeriegelten Riesenställen setzt dem Star zu. Grasen Tiere nicht auf der Weide und hinterlassen ihren Mist, bleibt mit den angelockten Insekten ein wichtiges Nahrungsmittel aus.
Parallel zur Verstädterung Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der Star auch im urbanen Raum an den Menschen angepasst. Heute stellen Parks und Friedhöfe mit ihren zum Teil alten und höhlenreichen Bäumen sowie den kurzrasigen Wiesen wichtige Ersatzlebensräume dar. Auch an Gebäuden nutzt unser Jahresvogel Hohlräume zum Brüten. Jeder Garten- oder Hausbesitzer kann der Wohnungsnot des Stars mit einem Nistkasten begegnen. Gärtnern ohne Pflanzenschutzmittel und Insektizide sowie Beeren tragende Gehölze verhelfen dem Star zu ausreichend Nahrung. Was im Kleinen gelingt, sollte auch im Großen möglich sein. Die Politik, Verbände wie der NABU und LBV, aber auch jeder einzelne Lebensmittelkonsument können bestimmen, wie vielfältig unsere Kulturlandschaft aussieht. Eine strukturbereichernde und ökologische Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung hilft dem Star und vielen anderen Vögeln.
Wer den Star einmal im Frühjahr und dann wieder im Herbst betrachtet, könnte denken zwei verschiedene Vögel gesehen zu haben. Im Frühling zeigt sich der Vogel des Jahres in einem schwarzen Gefieder, das je nach Lichteinfall metallisch grün, blau oder violett glänzt. Vor allem auf der Oberseite der Weibchen verzieren kleine helle Punkte ihr Prachtkleid. Beide Geschlechter haben zur Brutzeit einen auffällig gelben Schnabel, dessen Basis beim Männchen unten hellblau und bei der Starendame leicht rötlich ist. Jungvögel sind in ihrem ersten Fluggefieder einheitlich graubraun. Im Spätsommer mausern sich die Stare. Ihr sogenanntes Schlichtkleid ist jedoch gar nicht langweilig, sondern mit einem regelrechten Perlmuster überzogen. Es stammt von den weißen Spitzen der sonst dunkelbraunen Federn. Auch der Schnabel ist nun bei Jung- und Altvögeln dunkel. Im Laufe des Herbstes und Winters nutzen sich die Federn ab, werden dunkler und die weißen Punkte verschwinden. Pünktlich zur neuen Brutsaison schillern die Vögel wieder in elegantem Schwarz mit prächtigen Glanzeffekten.
Den Flugstil des Stars prägen rasche, kräftige Flügelschläge. Vor der Landung geht er in einen Gleitflug über, bei dem die dreieckige Flügelform gut zu erkennen ist.
Wenn der Star über uns in den Bäumen sitzt und versucht einem Weibchen zu imponieren, erkennen wir seinen Gesang nicht unbedingt sofort. Statt einer melodischen Abfolge von Tönen gibt der Starenmann eine Reihe von pfeifenden, zischenden, gepressten und schnalzenden Geräuschen von sich. Die Töne sind unterschiedlich laut und sehr variationsreich. Sein Schnabel bewegt sich dabei nicht viel und er wirkt so fast wie ein Bauchredner. Dies gipfelt in seiner Fähigkeit, andere Vogelstimmen oder Umgebungsgeräusche perfekt zu imitieren und in seinen Gesang einzubauen. So blickt sich mancher in der Stadt nach einer Kohlmeise, Polizeisirene oder sogar einem Handyklingeln um und kann nichts dergleichen entdecken – bis auf einen Star im Baum.
Im Schwarm hält der Star über kurze, schnarrende Rufe Kontakt zu seinen Nachbarn. Wenn ein großer Starenschwarm am Schlafplatz einfliegt, verdichten sich die Rufe tausender Kehlen zu einem lautstarken Schwirren.
Der Star ist in Deutschland flächendeckend verbreitet. Besonders hohe Dichten gibt es in den Agrarlandschaften Nordsachsens und Sachsen-Anhalts sowie in den Streuobstgebieten in Baden-Württemberg. Nadelholzreiche Waldregionen und die baumarmen Küstengebiete gehören zu den vergleichsweise weniger bevorzugten Einzugsgebieten. Findet der Star aber künstliche Nistmöglichkeiten, können ihn Vogelfreunde auch zur Brutzeit an der Nord- und Ostseeküste sowie anderen Gewässerufern beobachten.
Der ursprüngliche, wohl ideale, Lebensraum unserer Stare in Mitteleuropa befand sich in Randlagen und Lichtungen von Laubwäldern. Heute besiedeln sie viele Gebiete, die vom Menschen landwirtschaftlich genutzt werden. Zwei Dinge benötigt er zum Glücklichsein: Bäume oder Gebäude mit geeigneten Bruthöhlen und offene Nahrungsflächen mit niedriger Vegetation in maximal 500 Metern Entfernung. Sind diese beiden Grundvoraussetzungen erfüllt, ist unser Jahresvogel sehr anpassungsfähig.
In der Agrarlandschaft sucht der Star Mähwiesen und abgeerntete Felder zur Nahrungssuche auf. Hier kann er „zirkeln“ und Würmer sowie Insekten aus den vorgepickten Löchern ziehen. Auf beweideten Wiesen findet der gesellige Vogel reichlich vom Mist der Weidetiere angelockte Insekten und Würmer. Mit der Nisthöhlensuche in der näheren Umgebung ist der Star nicht allzu wählerisch. Er bezieht Quartier in Baumgruppen der Feldflur oder in Alleebäumen. Auch Stallanlagen und andere Einzelgebäude mit entsprechenden Hohlräumen unter der Fassade bieten Platz für den Nestbau. Sein Lieblingsplätzchen aber findet der Star auf einer Streuobstwiese mit alten Obstbäumen oder beweideten Flächen am Boden.
Doch auch in der Stadt ist er gern zuhause. Alter Baumbestand in Parks mit angrenzenden gemähten Liegewiesen erfüllen hier seine Bedürfnisse voll und ganz. Fehlen die Bäume, hat er kein Problem mit dem Nestbau unter einem losen Ziegel oder in einem Nistkasten. Der urbane Star besiedelt neben Parkanlagen auch Friedhöfe, Kleingärten und sogar Innenstädte mit kleineren Rasenflächen wie Sportplätze. Am Stadtrand brütende Stare finden oft beides: Reicht das Grüne nicht aus, bieten Stadtgüter oder Reiterhöfe ausreichend Futter. Beeren tragende Hecken ergänzen ihr Nahrungsangebot.
Versammeln sich Stare lärmend zum Vogelzug ins Winterquartier, bevorzugen sie Schlafplätze in Schilfröhrichten und nutzen tagsüber Stromleitungen zum Ausruhen. Auch flächige dichte Gebüsche, hohe Bäume oder historische Fassaden bieten den großen Schwärmen ausreichend Platz und Schutz.
Verbreitung und Bestand
Als singender Begleiter der europäischen Kolonisten und Auswanderer eroberten Stare auch fremde Erdteile mit Erfolg. Sie sind so heute fast auf der ganzen Welt zu Hause – in Nordamerika, Südafrika, Südaustralien und Neuseeland. Die geselligen Vögel bevorzugen ein gemäßigtes Klima, weshalb man sie von Nordwest- und Westeuropa in einem breiten Gürtel bis in die Steppengebiete Zentralasiens findet. Im Norden Skandinaviens und in Südeuropa werden die ganzjährigen Vorkommen weniger dicht. Die Vorposten bilden Island, die Azoren und Kanaren im Westen.
Abhängig von seinem Lebensort ist unser Jahresvogel Standvogel, Teilzieher oder Kurzstreckenzieher. Mitteleuropäische Stare ziehen zum Großteil bis in den südlichen Mittelmeerraum und nach Nordafrika. Andere wichtige Überwinterungsgebiete sind die Regionen an der Atlantikküste Frankreichs und Spaniens, die Beneluxländer und Großbritannien. Die maximale Zugstrecke liegt bei 2.000 Kilometern. Einige Stare überwintern auch bei uns, der überwiegende Teil dieser Vögel aber stammt aus Skandinavien oder Osteuropa. Doch auch unsere heimischen Stare verzichten vermehrt auf lange Reisen und nehmen schon im Südwesten Deutschlands Winterquartier.
Der Star wurde in der aktuellen deutschlandweiten Roten Liste von „ungefährdet“ (RL 2007) auf „gefährdet“ (RL 2015) hochgestuft. -
Der europäische Starenbestand wird auf 23 bis 56 Millionen Brutpaare geschätzt. Mit 2,8 bis 4,5 Millionen Paaren leben etwa zehn Prozent davon in Deutschland. Und dennoch ist der schillernde Geselle ein typisches Beispiel für den stillen Rückgang unserer „Allerweltsvögel“. In der neuesten bundesweiten Roten Liste der Brutvögel ist der Star sogar als „gefährdet“ eingestuft, denn heute brüten etwa zwei Millionen Staren-Paare weniger in Deutschland als noch vor zwanzig Jahren.
Das Brutgebiet des Stars vergrößerte sich im 19. Jahrhundert durch die massive Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Seit den 1960-er und 1970-er Jahren setzte jedoch eine Trendwende ein und die Starenbestände nahmen ab. Mit Beginn der 1990-er Jahre gingen die Brutpaarzahlen mit 36 Prozent weiter erschreckend zurück. Zwar ist der Bestand in städtischen Bereichen momentan recht stabil. Den anhaltenden Gesamtrückgang jedoch hält das nicht auf. Unserem Star droht seit den letzten zehn Jahren immer noch ein Minus von sechs Prozent, am deutlichsten im Osten unseres Landes. In anderen europäischen Ländern sieht es ganz ähnlich aus. Rückgänge erfolgreicher Bruten und Arealverluste konnten etwa in Finnland, Dänemark oder Polen beobachtet werden. In Deutschland zeugen erheblich verringerte Zahlen von durchziehenden Starenschwärmen im Sommer und Winter davon.