Vor dem Luchsgehege an den Rabenklippen - Foto: Florian Scheiba
Bericht zur Tour "Harzer Luchsticket"



Ein Blick ins Luchsgehege im Harz - Foto : Florian Scheiba/NABU Bremen
Am Freitag, 24. April 2015, war es wieder soweit. Der äußere Rahmen dieser NABU-Fahrt konnte kaum besser sein. Bei schönstem Wetter fuhren wir mit Bahn und Bus zu den Luchsen an der Rabenklippe. Wir, das waren zwölf NABU-Freunde/innen, also ein kleiner und überschaubarer Kreis. Die Organisation lag in den Händen von Herrn Florian Scheiba vom NABU Bremen.
Anreise:
Vom Zug aus konnten wir das aufkommende Blühen der Natur wahrnehmen. Die Landschaft nahm ganz allmählich eine grüne Färbung an; bald wird der Blick durch die kleinen Wälder kaum mehr möglich sein. Der Hildesheimer Wald, der Ambergau und natürlich der Harzrand verschönerten die Frühlingslandschaft. Erwähnen möchte ich noch den nahen Anblick der viertürmigen Derneburg mit ihrem herrlichen Park nach den Plänen von Lenné.
Vom Busbahnhof Bad Harzburg gelangten wir zuerst zum Haus der Natur. In diesen Räumlichkeiten empfing uns der Ranger und Dozent Herr Gustel Bock mit freundlichen Worten. Herr Bock ist aber auch Jäger und Förster. Jedes Gruppenmitglied erhielt eine ovalförmige Holzplakette mit großem Luchs-Emblem.
Vortrag:
Alsbald war Herr Bock, der Ranger, in seinem Element. Es folgte ein Vortrag mit Lichtbildern zum Luchsprojekt. Der agile Dozent entwickelte sich im Laufe der Jahre vom Förster zum Schützer. Der Entwicklungsnationalpark Harz, so ein Begriff, hat eine sehr lange und teilweise natur-schmerzliche Entwicklung hinter sich. Einst natürlicher, gemischter Buchenwald, später Rodungen, Bergbau mit der Entwicklung zur Fichtenmonokultur. Dazu kamen die Kriegsfolgen mit ihren Abholzungen durch die Siegermächte.
Die erneute Zielsetzung ist der ursprüngliche Mischwald. Bis 2022 soll der Wald sich selbst überlassen werden, erst einmal. Wieder ein interessanter Hinweis durch Herrn Bock. Das Ökosystem muss mit dem Borkenkäfer leben. Dieser wird mittlerweile als eine Art Geburtshelfer angesehen; und wenn die kranken Fichten in sich zusammenfallen, hat bald der gefürchtete Schädling keine Nahrung mehr. Es wird ihn also selbst treffen.
Die Ranger wurden früher Schutzbetreuer genannt. Dieser sperrige Begriff blieb auf der Strecke. Unter Ranger kann sich jeder etwas vorstellen. Heutzutage können Interessierte sogar Junior-Ranger werden.
2006 wurde der Nationalpark mit dem östlichen Teil fusioniert. Es gab in der Bild-Zeitung eine Schlagzeile: „Der Brocken darf kein Wessi werden“. Die Funktionen, die Ämter wurden paritätisch aufgeteilt. Nach dem Bayerischen Wald ist der Harz der zweitgrößte Nationalpark. Derzeit werden 25.000 ha bearbeitet. Die Längslage beträgt vom Norden bis Göttingen ca. 70 km.
Einige Bemerkungen zur Luchs-Historie im Harz:
23. März 1817 = Tötung des vorletzten Luchses.
17. März 1818 = Der Förster Spellerberg erlegt den letzten Luchs im Harz.
1893 = Errichtung eines Gedenksteins am Erlegungsort. Der Ausgangsort für die letzte Luchsjagd wurde die Stadt Seesen (Westharz).
1999 = Beschluss den Luchs wieder anzusiedeln.
2000 = Beginn des Luchsprojektes.
Lebensweise des Luchses:
Das Streifgebiet beträgt 30 bis 500 qkm. Seine Hauptbeute ist das Reh. Als sog. Lauerjäger wartet er stundenlang und verlässt sich ganz auf Ohr und Auge. Die Tötung des Opfers erfolgt durch den Kehlbiss.
Über die Pinselohren ist viel spekuliert worden. Allerdings soll die spitze Ohrform lediglich ein Merkmal, ein Auswuchs des Felles darstellen. Neben dem Reh – wie erwähnt – werden der Hase sowie auch der Hirsch (ca. 20 %) nicht verschmäht.
Die Beute wird verblendet, d.h., der Luchs deckt seine Nahrung zu, bis sie (das Beutetier) aufgezehrt ist. Mittlerweile stellt das Muffelwild, einst aus Korsika eingeführt, ein Problem dar. Für Luchse ist das Muffelwild leichte Beute, aber auch die Mufflons verlassen bereits zum Selbstschutz ihre Gebiete.
Weiterfahrt zum Luchsbaugehege an der Rabenklippe:
Nach dem exzellenten, lebendigen Vortrag erfolgte der zweite Teil unseres Besuches. Mit dem Bus fuhren wir am Molkenhaus vorbei zur Bushaltestelle unweit des Luchsgeheges. Unser Ranger begleitete die Bremer Gruppe.
Erwähnenswert bei der Auffahrt zum Schaugehege sei wiederum der klare Brockenblick. Stolz zeigte sich der 1142 m hohe, sagenumwobene Gipfel. Weiße, auffällige Punkte sorgten für einen ungewöhnlichen Fernblick. Es lag auf der Bergkuppe noch Schnee.
Der neue Walddozent, so meine Bezeichnung, Herr Vojtisek, erwartete uns vor dem hohen Zaun, der im unteren Teil sehr engmaschig ist. Nach oben ist der Draht außen und innen geknickt, dazwischen soll Stacheldraht ein Überspringen unmöglich machen. Wenn ein Kuder (männliches Tier) zur Paarungszeit unterwegs ist, kann Unmögliches geschehen.
Auf die Straftat vor einigen Monaten möchte ich nicht weiter eingehen. Glücklicherweise konnten die drei „befreiten“ Tiere durch glückliche Umstände in ihr Schaugehege zurückkehren, was klar ihr Überleben sicherte.
Zur bevorstehenden Luchsfütterung standen an diesem Freitag gerade einmal 16 Personen als Beobachter bereit. Überschaubarer ging es wohl kaum noch! Nach der Begrüßung durch den „Herren in Grün“ zeigten sich drei Jungtiere namens Alice, Ellen und Paul den Angereisten. Alice und Ellen kamen 2014 aus Mönchengladbach, Paul lebt seit 2013 im Gehege. Sozusagen gleich nebenan, durch einen inneren Zaun getrennt, haben Pamina (Zauberflöte) und Tamino ihr Zuhause.
Pamina, eine sog. „Handaufzucht“, versteht sich sogar mit Hunden. Ihre Aufgaben sind schlicht und einfach die Förderung der Öffentlichkeitsarbeit.
Luchse, so Herr Vojtisek in seinen Ausführungen, sind keine Schmusetiere, bei Fremden im Gehege würden sie das Gesicht mit ihrer rauen Zunge lecken, ein Sprung in den Rücken sowie ein Festkrallen wären nicht empfehlenswert. Die Fütterung rückte gegen 15.00 Uhr näher.
Fütterung:
Immer dann, wenn sich die Luchse der Futteröffnung nähern, ist ihr Anblick einfach majestätisch. Was für ein eleganter Gang! Als Tier- und Naturfreund kann man den Blick von den Großkatzen nur schwer lösen.
Herr Vojtisek warf durch die verschließbare Öffnung Fleisch in das Gehege. Nun war der Spaß vorbei. Ein Zischen und Fauchen! Wie gut, dass uns ein massiver Drahtzaun trennte. Jedes Tier erhielt getrennt ein großes Stück, wohl von einem verunfallten Reh. Bei Pamina und Tamino im Nachbargehege waren die Reaktionen ähnlich. Nach den ersten bissen schmauste jedes Tier genussvoll vor sich hin. So war wohl ihre Welt in Ordnung!
Weitere Ausführungen:
Im Rahmen des Luchsprojektes wilderte man 24 Luchse (9 Männchen, 15 Weibchen) aus. 2002 gab es erste Hinweise auf Jungtiere. 2003 erfolgten Markierungen durch Ohrmarken. Über einhundert Jugendliche sind vermutlich im Harz geboren. Unklar bleibt, wie viele davon überlebt haben. Gefahren drohen durch den Autoverkehr sowie die übertragbare Fuchsräude (eine Milbe). Die scharfen Augen werden befallen und beeinträchtigen ihr wichtige Sehfähigkeit.
Herr Vojtisek umriss den Begriff Luchsmonitoring. Auffälligkeiten sollten gemeldet werden. Beobachtungen erfolgen u. a. durch Kameras, durch sog. Fotofallen. Luchsspuren sind Losungen und ihre Fußabdrücke. Auch Todfunde sind natürlich auszuwertende Nachweise.
Telemetrieprojekt:
Seit 2008 werden Luchse besendet. Durch ein Senderhalsband ist eine Standorterfassung möglich. Der Harz kann heutzutage als echte Luchspopulation angesehen werden.
3: Teil:
Kulinarisches:
Im Restaurant neben der Rabenklippt war der genussvolle Teil angesagt. Ein Wildgericht oder etwas Vegetarisches. Den Brockenblick gab’s wieder ganz umsonst. Unsere Ranger gehörten zur gemütlichen Runde.
Die Rückfahrt verlief problemlos. Reich beschenkt – wieder einmal – trennten sich die NABU-Mitglieder im Hauptbahnhof Bremen.
Ausklang:
Gedankensplitter, Vergessenes, Sonstiges:
Bad Harzburg ist ein bekannter, traditionsreicher Kurort des Harzes. Das Luchsprojekt bereichert den Tourismus auf eine ganz besondere Art.
Dem Jäger, Fördert und Ranger, Herrn Bock, Herrn Vojtisek als Dozent am Luchsgehege sowie dem Projektleiter und Diplom-Forstingenieur Ole Anders sprechen wir unsere Anerkennung aus. Unser Dank gehört auch den anderen Mitarbeitern/innen.
Ich verweise auf meinen NABU-Bericht aus dem Jahre 2011 zum Thema „Luchs“.
Ein besonderer Dank gebührt ebenfalls unserem Organisator Herrn Florian Scheiba vom NABU Bremen.
Empfehlenswert wäre ein Stopp auf dem Sternplatz zwischen den Orten Seesen und Lautenthal. Vom Parkplatz aus gelangt man bequem in ca. 30 Minuten zum Luchsstein.
Ein unglaublich schöner Tag bleibt unvergessen!