Seehunde vor Baltrum - Foto: Florian Scheiba
Baltrum – Dornröschen der Nordsee
1.) Ankunft und Empfang:
Gegen 8:30 Uhr erreichte unsere 12-köpfige NABU-Gruppe den Ausgangshafen Nessmersiel. Das Fährschiff „Baltrum-Fähre“ erwartete uns bereits.
Die erste Auffälligkeit war das Fahrkartengebäude mit einem Restaurant. Am Gemäuer – Richtung Anleger – hatten einst kluge Planer gut sichtbar in West-Ost-Richtung die Ostfriesischen Inseln angebracht. Ein klares Blau und die gelb-grünen Sandinseln als Kontrast mit den entsprechenden Namen. Unkundige wurden hier über die Inselwelt in ihrer Lage informiert.
Gegen neun Uhr legten wir ab und wurden am Ostufer der Insel Norderney von zahlreichen lebendigen Bewohnern beäugt. Es waren Seehunde mit Kegelrobbern. Diesmal verzichtete ich auf das Zählen, die Vielzahl erstaunte uns. Hinter diesen Bewohnern konnten wir einen bekannten, stark eingesandeten Schiffskörper erkennen. Das Wrack von Norderney! Der große Leuchtturm dieser Insel ist nun einmal unübersehbar, in der Ferne zeigte mir mein Fernglas ostwärts den Wasserturm der Insel Langeoog. Nach circa 30 Minuten erreichte das gefüllte Fährschiff den kleinen Hafen.
2.) Auf der Insel:
Ab nun ging alles zu Fuß. Baltrum hat keinen Fahrrad-Verleih, es gibt nur wenige Fahrräder. Hier ist „Schusters Rappen“ angesagt. Kutschen gehören zum Ortsbild. Die Pferde dürfen übrigens nicht mehr auf Baltrum überwintern – es sei denn, es sind Stallungen vorhanden.
3.) Nationalpark – Haus Baltrum:
Dieses Gebäude muss ich anfangs gleich erwähnen. Es wurde 1987 eingerichtet und war vorher einfach ein Reedereigebäude, das sogar auf einer „Wurt“ (künstlich aufgeschütteter Siedlungshügel) seinen Dauerplatz fand. Wegen dauernder Sturmfluten wurde das Haus durch Sandsäcke und einen Schott geschlossen. Auch deswegen wird das Nationalparkhaus unter anderem von Einheimischen auch „Gezeitenhaus“ oder „Tidehus“ genannt.
Im Haus offenbarten sich rundherum „Schätze“ der Natur zur Ansicht. Strandnachbildungen mit präparierten Tieren, wie zum Beispiel Seehund, Kegelrobbe, Kormoran, Muscheln, Katzen-Hei, Stein-Wälge, Brandsee- und Küstenseeschwalbe, das Skelett eines Tümmlers. Meine Aufzählungen sind allerdings unvollständig. Zwei große Aquarien mit Strandkrabbe, Miesmuschel, Seenelke, Seepocke, Garnele, Einsiedlerkrebs notierte ich mir. Schautafeln boten bei einem Rundgang umfassende Informationen über das Weltkulturerbe Wattenmeer.
4.) Die Führung ist da!
Oder … die Ortsbegehung!
Frau Dipl. Biologin Karen Kammer stellte sich mit der jungen Frau Miriam Tölke vor, die ein FÖJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr) begann. Der Rundgang sollte zwei Stunden andauern. Wir setzten uns in Bewegung!
Eine Bachstelze wurde gesichtet. Und diese Vogelart auf einer Insel? Wie geht das? Laut Erklärung unserer Biologin reichen zum Überleben Wassergräben als Lebensgrundlage aus. Die Vögel nisten in Dachrinnen. Zwei farbige Stare zeigten sich, ebenso Rauch- und Mehlschwalben. Die Rauchschwalben haben ein dunkles Gefieder, die andere Art ist an ihren weißen Fußfedern zu erkennen.
Am Wegesrand stand eine Strandgrasnelke. Ein hoppelndes Kaninchen gehörte zum Problem Kaninchenplage. Heutzutage werden sie gejagt, auch auf Baltrum.
Baltrum hat 330 Häuser und eine Länge von 5,5 km. 80.000 Gäste suchen auf der Insel jährlich Erholung. Am Westende, in Hafennähe, errichtete man ein sogenanntes Pfahlschutzwerk aus stabilem Holz, das Überflutungen verhindern sollte. Buhnen leiten die Ströme am Westende um.
Frau Kammer erklärte die stabilisierende Funktion des Strandhafers für die Dünen. Diese Pflanze wächst tief in den Sand, ist aber im oberen, sichtbaren Teil sehr durch Spaziergänger gefährdet. Nur ein absolutes Betretungsverbot wäre sinnvoll!
An einem Buhnenkopf zeigten sich mausernde Eiderenten. Die Steinwälzer drehen Krebse. Sie lassen Muscheln fallen, um so an die Nahrung zu gelangen. Ein kleiner toter Seehund, ein Heuler, wurde von zwei Krähen „gepiekst“. Die Krähen labten sich.
Kirchenvielfalt:
Im Ortskern warfen wir einen Blick in die alte Inselkirche. Sie ist heutzutage ökumenisch und stammt aus dem Jahr 1826. Kaum größer als ein Wohnzimmer, wird sie heute für Trauungen und für Andachten, zu besonderen Anlässen genutzt. Außerhalb dieser kleinen Kirche steht ein sogenannter „Glockengalgen“. Das Geläut muss durch das Seilziehen erreicht werden.
Kirche St. Nikolaus:
Sie wurde in Form eines Rondells gebaut. Der Heilige Nikolaus gab ihr den Namen. Glasfenster mit biblischen Motiven luden zum Betrachten ein. Eine massive Eisen-Schiebetür soll den starken Wind fernhalten. Die größere evangelische Kirche konnten wir aus Zeitgründen nicht besichtigen.
5.) Unheimliche Tragödie im E. H. E = Haus Nr. 21:
Im Jahre 1866 wollte ein junger Mann seine Eltern auf der Insel besuchen. Er ließ sich vom Festland auf die Insel rudern, stieg aber vorher aus, da er sich auf der Insel wähnte. Das war ein tödlicher Irrglaube! Er stand auf einer Sandbank – und das im Winter. Der junge Mensch wusste, dass er sterben würde und hinterließ noch eine Nachricht. Aber wie? Eine Zigarrenkiste, ein Halstuch sowie ein Notizbuch fand man später – wasserdicht - auf der Insel Wangerooge. Unglaublich!
Diese „Erinnerungen“ befinden sich heute im Museum. Wen ich etwas zeitlebens nie mehr vergessen werde, dann diese Schilderung unserer Inselführerin. Es wühlte mich einfach auf!
6.) Zentrale Punkte im Zentrum:
Stellt euch vor, auf dieser kleinen Insel gibt es keine Straßennamen, sondern nur Hausnummern. Im Laufe der Jahre mussten wohl immer wieder Häuser geräumt werden. Irgendwann verselbstständigten sich die Nummern – bis heute.
Zwei Banken, eine Sparkasse (Geld kann nur in Dornum eingezahlt werden), ein Schwimmbad. Es ist Voraussetzung für Kurbäder – sonst gibt es staatlicherseits keine Anerkennung. Haus des Gastes (zugleich Turnhalle) und Räumlichkeit für Veranstaltungen, Inselschule mit zurzeit 40 Schülern/innen bis zur zehnten Klasse, Feuerwehr, Kindergarten sowie ein kleiner Flugplatz beenden meine Aufzählungen. Die häufigsten Flieger sind die Zweisitzer!
Nach circa zwei Stunden beendete unsere Inselführerin den Rundgang. Wir verabschiedeten uns von der redegewandten Frau Kammer. Frau Tölke hatte sich vorher verabschiedet, da sie noch eine Tätigkeit wahrnehmen musste.
Nun gab‘s mal wieder das leibliche Wohl. Meine Begleiterin Uta vom NABU und meine Wenigkeit zog es nach dem Essen, nach den Süppchen an den Strand. Wir saßen auf der Strandpromenade und ließen unsere Blicke schweifen. Das war Nordsee pur!
7.) Der Abschied:
Gegen 16:30 Uhr legte die „Baltrum-Fähre“ ab. Diesmal sahen wir backbords Seehunde und Kegelrobben. Die kleinen Köpfe ragten manchmal belustigend aus dem Wasser. Vergesst aber nicht, dass sie zur Klasse der Raubtiere gehören.
In der Ferne zeigte mein Fernglas den Wasserturm von Langeoog sowie den großen Leuchtturm der Insel Norderney. Dazwischen liegt ja bekanntlich die kleinste der Ostfriesischen Inseln, das „Dornröschen der Nordsee“.
8.) Nicht vergessen:
Bei der Ankunft saß nur ein Kormoran einsam auf einem der Pfähle und schien uns zu begrüßen. Übrigens sollen Kormorane nach neuesten ornithologischen Erkenntnissen doch eine Fettdrüse besitzen, die ihr Federkleid vor Nässe schützt. Wir alle kennen ihre ausgebreiteten Flügel nach einem Tauchgang. Die Insel wird über Leitungen vom Festland mit Wasser versorgt.
Insbesondere das Westende wird durch lange Buhnen vor Sturmfluten geschützt. Eine massive Steinschicht vor der Dünenkette soll die Sturmbrandungen brechen.
Nationalpark-Haus:
Ich erwähne es abschließend bewusst noch einmal. Urlauber/innen sollten diesen Informationsschatz unbedingt aufsuchen. Fundierte Erklärungen, gepaart mit zahlreichen Variationen, vermitteln Wissen auf lebendige Weise. Ich hätte stundenlang bleiben können.
Vielen Dank an Frau Karen Klammer mit ihrer FÖJ-Begleiterin. Ein Dankeschön unserem Organisator und Fahrer Florian Scheiba sowie den NABU-Verantwortlichen, die dieses Reiseziel gewählt haben.
Baltrum – Dornröschen der Nordsee, wir sehen dich wieder. Du bist beeindruckend!
(Günter Hoffmeister)
NABU-Mitglied
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